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Mouse on Mars in München

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    Mouse on Mars in München

    Meine Lieben,
    wohl kein "Konzert", doch im Münchner Kunstbau am Königsplatz ist gerade eine absolut hörenswerte Ausstellung - ja, hörens-wert - und das auch noch gratis. Lest mal den Artikel aus der Süddeutschen von neulich.

    Das Berliner Elektronik-Duo Mouse on Mars präsentiert im Kunstbaus des Lenbachhauses seine Klanginstallation "Spatial Jitter".
    ...
    dem Wunder
    leise
    wie einem Vogel
    die Hand hinhalten

    (Hilde Domin)

    #2
    Da fahre ich eigentlich jeden Tag dran vorbei. Bin auf der Heimfahrt vom Büro mal am Königsplatz aus der U-Bahn gesprungen, um wenigstens das letzte Stündchen bevor sie zusperren noch in die Ausstellung zu lauschen.

    Alles geheimnisvoll dunkel gehalten. Beim Eintreten leise, sphärenhafte Klänge; ou-käiii, hätte ich jetzt so nicht erwartet, bei Mouse on Mars, so ganz anders als von ihnen gewohnt.

    Na, egal, lass Dich mal darauf ein und spitze die Lauscher.

    Beim langsamen Hineinschreiten, in die schmale, recht hohe und zieeemlich lange Ausstellungshalle des Kunstbaus, die in sonderbares, sehr flach gehaltenes Licht von sehr weit und eng leuchtenden Spots getaucht ist, die dämmerungslange Schatten werfen, von allen Besuchern, die sich darin bewegen, fällt sofort auf, hier ist klanglich so einiges anders als üblich.

    Die Klänge mischen sich von allen Seiten, man wandelt von Schwebung zu Schwebung, spannend interferrierend, von Auslöschung zu Peak. Ganz erstaunlich von wo überall die Klänge herkommen, mit einer unglaublich großen Raumtiefe wird die gesamte Halle scharf fokussiert in voller Länge durchleuchtet, ...äh, durchklungen. Es entstehen unvermittelt Klänge von wo man sie nicht vermutet hätte, weil da überraschenderweise gar kein Lautsprecher steht, mitunter nur durch die Reflexionen der Wände in den Äther projeziert.

    Das ganze wird gezaubert von 10 weit im Raum verteilten Lautsprechern. Vier große Panels mit Mitten-Hochtönern, auf hohen Stativen, die sich immerwieder mal langsam drehen, zwei ziemlich potenten Subwoofern, die je im Viertel der gegenüberliegenden Raumseiten am Boden platziert sind und einem computergesteuert schwenkbarem, großem, ziemlich spektakulärem fullrange-Horn, das sich gelegentlich wie ein wildgewordener Rodeo-Stier surrend dreht und bockt und in alle Richtungen rotiert, zeitweise wie ein kämpfendes Alien anmutend, alleine schon vom Klang her. Die im Artikel angekündigten Percussionautomaten habe ich erst vermisst, bis ich entdeckte, dass es drei recht unscheinbare Speaker auf Deckenstaiven sind, die weniger die vermutete klassische Percussion bringen, als viel mehr höchst eindringliche, durchaus sehr percussive Klicklaute.

    Von den Kompositionen war ich erst etwas enttäuscht, vielleicht hatte ich mir auch zu viel erwartet und wohl auch etwas mehr Richtung Musik gedacht. Es ist nicht mehr und nicht weniger als eine Klanginstallation, eine Performance in vollkommen eigenem und unerwartetem Duktus. Dreidimensionale Klang-Gewebe, -Strukturen und -Spielereien, gemischt mit genial verarbeiteten Feeldrecordings. Überwiegend ziemlich entschleunigt, von meditativ bis hoch komplex spannend, durchwachsen von subsonischen Frequenzen, zum Teil nahe an Infraschallgewittern.

    Von der Komposition auf der einen Seite jetzt nicht unbedingt etwas wo man sagen würde, mensch das musst du unbedingt erlebt haben, aber auf der anderen Seite dann auch irgendwie interessant, vollkommen anders als erwartet, einerseits mit total relaxtem slow-down-Effekt (toll nach einem anstrengendem Arbeitstag) andererseits ungewohnt spannend zu lauschen obwohl eher unspektakulär und nicht außerordentlich virtuos hervorragend. Obwohl? Irgendwie dann aber auch wieder schon! Schwer zu beschreiben.

    Und dann kam die größte Überraschung, mit einem Blick auf die Uhr, nach knapp 10 Minuten, ...HEY! ...schwup, war 'ne gute halbe Stunde rum! WAS?! Wie geht DAS denn?! Das ist ja die reinste Zeitmaschine diese Installation! Total paradox, so entschleunigt wie das rüberkommt, müsste das doch in die andere Richtung gehen. Oder? Man merkt durchaus, dass man ein wenig der Zeit entrückt, aber so? Hammer! Bin jetzt erst recht total fasziniert, und wenig später sagt der Wärter schon, dass in Kürze geschlossen wird.

    Viel zu schnell wieder in Echtzeit gelandet, wandle ich dann buchstäblich wie die Mouse on Mars in der nun vollkommen unwirklich erscheinenden U-Bahn, auf der Fortsetzung des Heimwegs und komme mir vor wie ein Alien auf einem fremden Planeten, fern der gewohnten Heimat.

    Oh Mann, ich muss schon sagen, die Ausstellung hat schon 'was! Ich glaube ich werde auf den Heimfahrten der nächsten Wochen noch häufiger am Königsplatz rausspringen um in diesem Klanguniversum zu entschwinden, einem vollkommen aus der Zeit gefallenem Afterwork-Klangbad der besonderen Art.
    ...Und dann die Mouse on Mars am Heimweg.
    ...
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    leise
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    die Hand hinhalten

    (Hilde Domin)

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      #3
      Habe inzwischen auch einen zweiminütigen TV-Beitrag zur Ausstellung auf YouTube gefunden. Finde interessant, dass ich ähnliche Assoziationen hatte, wie sie die Macher der Ausstellung beschreiben, ohne, dass ich den Beitrag vorher gekannt hatte. Seht mal hier:
       
      ...
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      (Hilde Domin)

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        #4
        Der TV-Beitrag gibt die Angelegenheit vor Ort natürlich kaum nachvollziehbar wieder. Wenn das mein Erstkontakt gewesen wäre, bin mir nicht sicher ob ich tatsächlich animiert worden wäre die Ausstellung überhaupt zu besuchen.

        Wie sollen aber in nur gut zwei Minuten über zwei Stunden Klangmaterial annähernd adäquat rüberbringen, und, ja, letztlich ist das in der Ausstellung fast schon eine haptisch synaesthetische Sache, die man einfach live vor Ort erleben muss. Die Klänge im Hintergrund des Beitrags geben durchaus einen Hauch einer Ahnung in welche Richtung es geht, mehr aber halt dann auch nicht.

        Leute, wer heuer die HighEnd in München besucht, dem kann diese Ausstellung jedenfalls als krönendes (und relaxendes) Aftershow-Programm empfohlen werden.
        ...
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        (Hilde Domin)

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          #5
          Hallo Mikelinus,

          klingt spannend, leider zu weit weg...

          Brian Eno hat in den Achtzigern eine große Erdgeschosswohnung in Charlottenburg verdunkelt, mit Lichtinstallationen versehen und seine Ambientmusic laufen lassen. Der Effekt war, wie Du es beschreibst. Zeitmaschine. Wir sind da oft hin und haben auch häufig was zu essen mitgenommen und gepicknickt, wie viele andere auch. Einfach dort Zeit verbracht. Wenn Du rauskamst, war irgendwie alles ein bisschen anders für eine Weile. Einen ähnlichen Zustand hatte ich, als ich nach David Lynchs Blue Velvet aus dem Kino kam. Und es ging nicht nur mir so. Mein Parkplatznachbar ist erst mal in einen Baum gefahren...

          Grüße
          Tom

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