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Herbert F. Bairy - Traumspiel

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    Herbert F. Bairy - Traumspiel

    Hier möchte ich euch eine Produktion vorstellen, die so gar in kein Schema passen will:



    Traumspiel ist eine Musik zwischen Jazz und Rock, aber niemals wirklich eindeutig definierbar. Atemberaubende Klangwelten mischen sich mit furchteinflößenden Stimmen und Geräuchen. Irgendwie erinnert mich diese CD an die CD "Meddle" von Pink Floyd, die einen teilweise das Fürchten lehrt.
    "Jede Form des Zuhörens ist erlaubt. Denn der Traum kennt keine Spielregeln."



    Herbert F. Bairy? Wer ist Herbert F. Bairy? Bevor ich kürzlich auf dieses Album gestossen bin, hatte ich den Namen jedenfalls nie gehört. Allzu viel habe ich über Bairy später dann auch nicht herausgefunden (vielleicht ist der Name aber auch ein Pseudonym). Gefunden habe ich eigentlich nur, dass er Perkussionist ist und 1979 mit einer Ladung an Begleitmusikern die hier zu rezensierende Scheibe eingespielt hat. Über einige der Mitmusiker ist dagegen mehr bekannt. Rob Terstall und Jeff Beer waren z.B. anfang der 70er bei Odin tätig. Beer, Jürgen Bräuninger, Manfred Kniel und Bernd Konrad sind heute alle mehr oder weniger bekannte (zumindest google kennt sie) Komponisten, freie Künstler, Hochschul- und Instrumentallehrer. Michael Weilers spielte kurz bei den Hardrockern von Armaggedon, ist aber inzwischen wohl, wie Manfred Kniel, Thomas Stabenow und Frederic Rabold hauptsächlich in Jazzkreisen tätig. Die Sängerin Dietburg Spohr schliesslich steht heute einem eigenen, auf zeitgenössische Klassik spezialisierten Vokalensemble vor.
    Irgendwann 1979 versammelten sich alle diese Musiker (und einige mehr) - damals standen die meisten von ihnen wohl noch am Anfang ihrer Karriere - im Tonstudio Zuckerfabrik in Stuttgart, um vier Kompositionen von Bairy einzuspielen. "Traumspiel" nannte er das Ergebnis. Im Beiheft des CD-Reissues von in-akustik steht (frei zitiert), dass Kritiker das Album vermutlich in die Schublade "Weltmusik" stecken würden, weil es ihnen nicht erlauben würde, die bekannten Jazz- und Rock-Schablonen anzulegen. Na ja, als Weltmusik würde ich das Ganze nicht bezeichnen, da Ethnoklänge doch eher in der Minderheit sind. Ich lege daher einmal ein paar andere Schablonen an.
    Jazz und Rock ist als grobe Ausrichtung in Bezug auf "Traumspiel" schon mal gar nicht schlecht. Dazu kommt eine symphonisch-progressive Komponente, ein guter Schuss krautige Elektronik, ein paar zeigenössisch-klassische Einflüsse, freie Klangmalereien, etwas Ethnoatmosphäre (insbesondere was die Perkussion anbelangt) und eine Spur Folkloristisches.
    Am einfachsten ist noch "Runnin'" einzuordnen. Die Nummer ist ein belebter, von der Perkussion dominierter Jazzrocker mit Latino-Flair, der so oder so ähnlich auch auf einem Embryo-, Munju- oder Missus-Beastly-Album hätte vorkommen können. Etwas aus dem Rahmen fallen allerdings das flippig-schräge Trompetengequäke und die fast zeuhligen Choreinlagen. Das Titelstück bietet etwas andere Musik. "Traumspiel" ist ein gemächlich dahingleitendes, verhalten bedrohliches Klanggemälde aus allerlei hallenden und schallenden Tönen, welches sich langsam zu einer getragenen, aber eher heiteren Rocknummer entwickelt, die sich dann wieder in Klangdunst auflöst. Das erinnert stellenweise an die Island-Alben von Jade Warrior oder auch an Mike Oldfield (ist aber eine Spur schräger). Die Vielzahl der hier durcheinanderpurzelnden Instrumente ist jedenfalls beeindruckend. "Lady Ollala" ist ähnlich gestrickt. Stimmen, Synthesizer, Bass, Gitarren, Piano und einiges mehr wabern erst düster durcheinander, ehe, nach einem rein elektronisch-krautigen Abschnitt, ein folkig-akustischer, allerdings immer noch vom Synthesizer untermalter Teil einsetzt, der ein wenig an die späteren Scheiben von Popol Vuh erinnert. Allerdings ist die Musik weitaus interessanter und umfangreicher instrumentiert als bei der Formation um Florian Fricke. Danach geht das Stück deutlich rockiger weiter, von der jaulenden E-Gitarre bestimmmt, aber immer noch sehr getragen. Gegen Ende löst sich das Ganze dann in einem freien Klangdurcheinander auf. Zum Abschluss des Albums purzeln in "Redpeters Dream" diverse perkussive und elektronische Sounds und Klarinettenklänge frei durcheinander.
    "Traumspiel" ist eine ziemlich interessante Scheibe, die eigentlich jedem, der sich in den Bereichen Jazzrock, Elektronik, Krautrock und freierem Geplinge zuhause fühlt, sehr empfohlen sei. Dies noch um so mehr, als das Album zur Zeit (Herbst 2006) bei diversen Internetanbietern für einen geradezu lächerlich niedrigen Preis zu bekommen ist. Zugreifen!
    NACHTRAG: Um mehr über den rätselhaften Herbert F. Bairy herauszufinden, habe ich kurzerhand Jeff Beer per e-mail kontaktiert. Wie dieser mir freundlicherweise mitteilt, ist der Name in der Tat ein Pseudonym. Dahinter verbirgt sich der Perkussionist, Komponist und Instrumentenbauer Ferdinand Försch. Dieser hat aber offenbar mit seiner Vergangenheit abgeschlossen. Auf der Internetseite seines KlangHauses, wird "Traumspiel" nämlich nirgends erwähnt.
    Die Babyblauen Seiten sind die deutschsprachige Progressive Rock Enzyklopädie der Mailingliste progrock-dt: tausende Rezensionen von Prog-Platten, alt wie neu, und viele weitere Infos rund um Progressive Rock.

    Gruß
    Franz
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